Theologisch: Mitwelt oder Umwelt?

Meyer-Abich hat den Unterschied prägnant gefasst: Bei der Nachhaltigkeitsdiskussion und der ökologischen Modernisierung geht es um die Umwelt im Sinne von der Menschheit und ihren natürlichen Lebensgrundlagen! Biblisch-theologisch sehe ich die Mitwelt als die Menschheit und die natürlichen Lebensgrundlagen. Denn trotz der herausgehobenen Stellung des Menschen als Ebenbild Gottes, ist der Mensch keineswegs die Krone der Schöpfung, sondern wie Jürgen Moltmann zu recht sagt, die Schöpfung findet ihr Ziel im Sabbat, also im Ruhen Gottes. Der Mensch bekommt seinen Herrschaftsauftrag nur als Vegetarier. Sein Herrschen ist in Genesis 1,28 also ganz entschieden nicht im Sinne eines bedingungslosen Ausnutzen für sich zu verstehen. Nirgends steht auch, dass die Welt für den Menschen geschaffen ist.

 

Biblisches Verstehen 

Wer hat die Deutungshoheit in den gesellschaftlichen Diskussionen? Das ist auch eine Machtfrage. Das war für biblische Auslegungen lange eine Machtfrage. Seit die Kirche nicht mehr eine machtvolle Instanz ist, hat der Druck nachgelassen und wir können wieder freier die Bibel neu lesen und verstehen.  

Das Verständnis des ersten Schöpfungsberichtes unterliegt einer ähnlichen Deutungsgeschichte wie das Jesusbild, so wie es Albert Schweitzer in der Leben Jesu Forschung dargelegt hat. Jede Zeit trägt ihr Bild ein. In der Sprache der Soziologie, der hegemoniale Diskurs konstruiert je die Wirklichkeit sozial neu.

Meyer-Abich hat das deutlich gemacht mit sehr deutlichen Hegelzitaten, dem Vertreter des hegemonialen Diskurses im 19. Jahrhundert und darüber hinaus,. Hegels Sätze dokumentieren den zeitgeschichtlichen Hintergrund, vor dem unser Umweltbegriff, auch unser biblisches Verständnis des ersten Schöpfungsberichtes lange und bis heute konstruiert wurden. Wirkmächtig war in seiner Zeit natürlich nach wie vor die griechische Philosophie und ihr Naturbegriff. Es lohnt sich Hegel zu zitieren, um zu verstehen welche Geisteshaltung damals die Diskussionen bestimmten und also auch biblischer Hermeneutik zugrunde lag:

 

"Jeder hat also das Recht ..., die Sache aufzuheben und zu der seinigen umzuschaffen; denn die Sache als Äußerlichkeit hat keinen Selbstzweck... Ein solches Äußerliches ist auch das Lebendige, das Tier, und insofern selber eine Sache. ... Sich eine Sache zueignen heißt .... die Hoheit meines Willens gegen die Sache manifestieren...: ich gebe dem Lebendigen als meinem Eigenthum eine andere Seele, als es hatte; ich gebe ihm meine Seele. So gibt es ein absolutes Zueignungsrecht des Menschen auf alle Sachen."

 

Von diesem Verständnis ist es gedanklich nicht mehr weit bis zur Gentechnologie, dem Patentieren von Samen und genmanipulierten Tieren. Dieser hegemoniale Diskurs hat auch die Bibelinterpretation bestimmt. Auch die Ausleger konntenicht anders als das Denken ihrer Zeit in die Biblische Deutung einzutragen: Auch biblisch wurde die Natur zur Umwelt für den Menschen reduziert. 

 

Aber der erste Schöpfungsbericht denkt sehr differenziert über die Stellung des Menschen in der Welt nach. Ganz klar wird beides bedacht, seine Zugehörigkeit zur Schöpfung, also zur Mitwelt und seine besondere, aber begrenzte  Verantwortung in ihr. 

Er ist Teil der Schöpfung, er ist Natur, er gehört zur Mitwelt: Er ist am sechsten Tag zusammen mit den Landtieren geschaffen wurden. Wie seine ganze Mitwelt bekommt auch er Anweisung, was er zu essen bekommt: Früchte, er soll als Vegetarier leben. Er bekommt genauso den Segen zugesprochen wie die Fische im Meer. Wie die Fische in direkter Anrede den Auftrag bekommen sich zu vermehren und das Meer zu füllen, so und nicht anders auch der Mensch. Das Gemeinsame der Geschöpfe ist überwältigend deutlich dargestellt, der Mensch gehört zur Natur dazu. Er ist ein Mitgeschöpf, das sich unterscheidet, so wie alle Arten sich unter einander unterscheiden. Die Vielfalt und Unterschiedlichkeit wird in aller weise betont: "Jedes nach seiner Art".  So hat der Mensch einen besonderen Auftrag, der mit der Ebenbildlichkeit Gottes ausgedrückt ist.

Das hebräische alte Testament denkt nicht ontologisch, kennt kein abstraktes Wesen. Also geht es hier entschieden um einen begrenzten aber hervorgehobenen Auftrag des Menschen: Als Ebenbild Gottes hat er den Auftrag  Gottes Herrschaft zu bezeugen. Er soll Gottes Herrschaft über das Ganze, dessen Teil der Mensch selbst bleibt, bezeugen. Denn das Ziel der Schöpfung ist eindeutig nicht der Mensch, sondern der Sabbat, an dem Gott das Ganze seiner Werke betrachtet. Nur vom Ganzen der Schöpfung heißt es hervorgehoben: "Und Gott sah an alles was er gemacht hatte und siehe es war sehr gut." Und in diesem Ganzen findet der Mensch als ein Teil seine hervorgehobene Aufgabe, Zeuge von Gottes Herrschaft über alles zu sein. Das "Sehr gut" über das Ganze sichert auch die Integrität jedes einzelnen Geschöpfes, das Gott - "jedes nach seiner Art" geschaffen hat.

 

Der erste Schöpfungsbericht wurde ganz offensichtlich mit der reduktionistischen Brille der aufgeklärten Vernunft und der griechischen Philosophie gelesen. Niemals werden Tiere zum reinen Eigentum für den Menschen reduziert. Es sei an den Vegetarismus des Menschen erinnert, der zugleich für ihn und die Tiere ausgesprochen wird. Die Beschreibung der Schöpfung wird eindeutig als in mythischer Vorzeit beschrieben, um die Ausrichtung von Gottes Schöpfung deutlich zu machen, die unter der geschichtlichen Wirklichkeit verborgen, aber wirksam bleibt. Das Scheitern des Menschen ändert die Lebensbedingungen aber nicht die Zielrichtung. So war die Schöpfung nach Gottes Wille, ehe der Mensch an seinem Auftrag scheitert und zum ersten Mal Blut fließt mit Kains Brudermord an Abel, bzw. mit dem Morden der Menschen vor der Sintflut. Dieser mythische Schöpfungsfriede bleibt der Mitwelt aber trotzdem eingeschrieben als endzeitliches Ziel, wie die Propheten es beschreiben. Dieses Ziel muss auch in der geschichtlichen Wirklichkeit berücksichtigt werden: Es geht weiterhin darum Achtung vor der Mitwelt als Aufgabe und Gebot zu verstehen. In den 10 Geboten wird der Mensch aufgefordert die Sabbatruhe der Tiere zu achten. 

 

Wie konnte eine Auslegung der Schöpfungsgeschichte zur Annahme kommen hier würde davon erzählt, die Welt wäre dem Menschen zum Eigentum, also für den Menschen geschaffen, als Bühne für seine Geschichte? Ist die Natur doch jederzeit auch ohne den Menschen in der Lage ihr Loblied auf den Schöpfer zu singen, wie es die Psalmen beschreiben.

 

Wie sehr das griechische im hegemonialen Diskurs das biblische Menschenbild überformt hat, lässt sich wiederum mit einem Hegel Zitat verdeutlichen. Hegel hebt heraus, das auch der Körper des Menschen nur Natur ist und darum Eigentum des Menschen (Geist/Vernunft):

 

"Erst im Eigentum [des Körpers] ist die Person als Vernunft, der Körper aber selbst ist eine Sache, ein Unfreies, Unpersönliches und Rechtloses."

 

Die gewaltsame Reduktion des Menschen auf den Geist ist buchstäblich zu spüren. Auch hier ist der kurze Weg in unser postmodernes Denken überdeutlich. Es ist von Hegels Worten nicht weit zur Instrumentalisierung des eigenen Körpers im gesellschaftlichen Wettbewerb. Der Körper ist Gestaltungsmasse geworden, so wie Hegel es für alle Natur beschreibt. Der aktuellen Beispiele für diese gewaltsame Trennung von Geist und Körper wären zu viele von der Geburt des Menschen bis hin zu seinem Sterben. Die hebräische alttestamentliche Bibel kennt solch eine Auftrennung des Menschen in Leib und Seele gar nicht, hat dafür noch nicht mal sprachliche Ausdrucksmöglichkeiten und auch das griechische Neue Testament weist solche Vorstellungen entschieden zurück, besonders Paulus an vielen Stellen im Korintherbrief  aber am eindrucksvollsten in 1.Kor 6,19: "Der Leib ist der Tempel Gottes!" Die Einheit von Leib und Seele wird nach dem Tod erhalten bleiben, nur in neuer Gestalt (1. Kor 15). Und Römer 8, 18ff würdigt die gesamte Schöpfung, auf die Erlösung aus der Vergänglichkeit zu warten und ganz wie der Mensch bis dahin ängstlichen zu harren und zu seufzen. Auch hier wird der Mensch als Teil der Schöpfung gesehen, zwar in herausgehobener Stellung als Kind Gottes und erster der Erlösung, aber seine Erlösung kann nicht an der übrigen Schöpfung vorbeigehen, denn sie gehören zusammen. 

 

So bleibt also für uns die Aufgabe, im Sinne Jürgen Moltmanns die Bibel zur Sprache zu bringen:

Wie die offenkundige Entstehungsgeschichte der Bibel selbst beweist, stehen die Schöpfungsgeschichten in einem Erneuerungsprozess durch neue Erfahrungen, die integriert werden mussten. Es ist darum notwendig, die biblischen Zeugnisse von der Schöpfung auf unsere neuen Erfahrungen und Erkenntnisse zu beziehen und in deren Licht zu formulieren. Die Offenheit zu diesem Neuverstehen liegt in der Zukunftsoffenheit der biblischen Zeugnisse selbst begründet. Darum sind alle Auslegungen nur vorläufige, aber dafür zeitgemäße Deutungen, die niemals zeitlose Dogmen werden können.