Die Beobachtungen wie der Vermarktungsprozess und die Ausweitung des Marktes auf immer neue Bereiche funktioniert, wirft auch ein anderes Licht auf das Projekt der ökologischen Modernisierung. Wer sich die Kontexte des Gebrauchs des Wortes Modernisierung anschaut kann feststellen: Modernisierung wird fast synonym für gewinnbringende Investitionen in neuen Märkten gebraucht. Eine Auffälligkeit, die die Frage aufwirft, ob die ökologische Modernisierung ls Versuch der Vermarktlichung verstanden werden kann:
Reduktion des Problems auf den Klimawandel
Vieles spricht dafür, dass der Menschen gemachte Klimawandel eines der großen Probleme der Menschheit ist. Allerdings können wir uns nicht sicher sein, da die Prognosen zu komplex sind, um wissenschaftliche Sicherheit zu geben. Keiner weiß wirklich, ob die schnelle Erwärmung die prognostizierten Klimaturbulenzen verursache wird. Sicher zu berechnen ist der Anstieg des Meeresspiegels mit verheerenden Konsequenzen. Trotzdem ist der Klimawandel ein Problem von viele unserer Art zu wirtschaften und zu leben und es gibt viele weitere. Die Biodiversität, die Wasserknappheit und -verschmutzung, Flächenversiegelung, Luftverschmutzung, Meeresverschmutzung, und vieles mehr. Eigentlich drängt sich die Frage auf, ob wir unser Art zu wirtschaften nicht überdenken müssten.
Aber die Diskussion wird auf einen Punkt reduziert und alle Aufmerksamkeit auf den Klimawandel gerichtet. Es ist sehr auffällig wie sich die ganze Umweltdebatte auf die Frage des Klimawandels fixiert. Neben dem Klimawandel scheint es keine weiteren ökologisch relevanten Fragen mehr zu geben. Die völlige Fokussierung auf den Klimawandel führte zur ganz und gar einseitigen Skandalisierung des C02 Ausstoßes. Damit ist ein Problem scharf umrissen, das technisch-wissenschaftliche gelöst werden kann. Ein Problem wird zugespitzt, damit es passgenau der zu verkaufenden Lösung entspricht.
Erst diese so eingegrenzte, reduzierte wissenschaftliche Problembeschreibung ermöglichte sowohl die Finanzierung entsprechender Forschungen an den technisch machbaren Lösungen, als auch die entsprechend gewinnbringende Vermarktung der grünen Technik. Das Problem des Klimawandels wurde von anderen ökologischen Problemlagen, wie vor allem der Biodiversität, der fragilen und komplexen Gleichgewichte der Ökosysteme, isoliert. Nur diese Isolierung machte es möglich, nicht über eine andere Art des gesellschaftlichen Zusammenlebens zu sprechen, die das Miteinander von Mensch und Natur ermöglicht würde. Stattdessen wird die Umweltbewegung auf einen Promotor der beschleunigten Markteinführung erneuerbaren Energien reduziert. Wir müssen nichts ändern, sondern nur den Markt die Arbeit machen lassen, bzw. die unsichtbare Hand, die den Egoismus der vielen Einzelnen beim Wirtschaften wie durch ein Wunder zum Gemeinwohl fügt.
Herrschaftswissen
Die Theorie der unsichtbaren Hand funktioniert aber auch in der Fragen der erneuerbaren Energien nicht. Vielmehr verwandelt der wirtschaftliche Egoismus, das alleinige Interesse an der Gewinnmaximierung sogar eine wunderbare Idee wie das Windrad und die Photovoltaikanlage in Katalysatoren für die Verschärfung unserer ökologischen und sozialen Probleme.
Die wirtschaftsorientierte Problem- und Lösungsbeschreibung beinhaltet auch die Planetarisierung. Die wirtschafts- und forschungsstarken Staaten des Nordens formulieren die wissenschaftliche Problemlage und liefern die technische Lösung und das Kapital zur Umsetzung und erhalten die damit erwirtschaftete Rendite. Sie schreiben vor was Entwicklung ist und eröffnen ihren Unternehmen neue Märkte. Die ärmeren südlichen Staaten haben sich anzupassen, bzw. dem so eingeschlagenen Entwicklungspfad zu folgen. Gerade in den ärmeren Staaten bedeutet die ökologische Modernisierung nichts weiter als in Wert Setzung von Natur und Land, die Kommodifizierung von Land, um gewinnbringend zu investieren. Windreiche Gegenden für die sich früher keiner interessiert hat, sind jetzt auf einmal als neue Ressource ausgewiesen, um bewirtschaftet zu werden.
Green Grabbing
Das wird am Beispiel des sogenannten Greengrabbing besonders deutlich. In Mexiko gibt es ein gut recherchiertes aktuelles Beispiel dazu. In Süd Mexiko, wo sich das Land zu mittelamerikanischen Landenge zwischen Pazifik und Atlantik verjüngt, gibt es eine extrem windreiche Gegend im mexikanischen Staat Oaxaca. Dies ist eine arme nicht eng besiedelte Gegend in Mexiko, die abseits von allen Entwicklungen steht. Auf einmal wird sie interessant für Internationale Großinvestoren. Sie wollen gigantische Windparks bauen, um den WInd zu ernten, der hier so reichlich weht. Aber der Planungsweg war weder ökologisch noch sozial. Eigentlich vorgesehene lokale Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse wurden übergangen und von der Zentralregierung der favorisierte Weg für die Großinvestoren frei gemacht. Die Zentralregierung wehrte Versuche ab, wie in Deutschland mit Hilfe von NGO’s Bürgerbeteiligungen an Windanlagen durchzusetzen, indem utopische Kapitalreserven für die Beteiligung am Bieterprozess verlangt wurden, die nur von großen Fondsgesellschaften vorgehalten werden können. Die Großinvestoren wurden gezielt bevorzugt, die Rechte der indigenen Bevölkerung übergangen, ökologische Probleme beim Bau der Windkraftanlagen in ufernahen Gegenden mit besonders oberflächennahen Grundwasser (1,5 m unter der Oberfläche) wurden ignoriert, was sowohl zur Versalzung des Bodens als auch des Meerwassers in der Bucht führt. Die Versalzung führte wiederum in der Bucht zur Zerstörung der Fischbestände und den teilweisen Zusammenbruch der bis dahin traditionell nachhaltigen Fischerei. Im Rahmen der Beratungen zum Landverkauf an die Großinvestoren wurden Oppositionelle auch mit Gewalt bedroht und ein kritischer Journalist im Zuge des Streits um den Bau tausender Windanlagen ermordet. Öffentlich wurde der Bau der Windkraftparks mit dem Klimawandel begründet, faktisch wird aber gerade in Mexiko der Klimawandel von niemandem als handlungsleitendes Interesse benannt und programmatisch verfolgt.
Die Windparks in Oaxaca sind ein gut recherchiertes, aktuelles Beispiel, wie der Green New Deal vor allem als Wirtschaftsprogramm verstanden wird und der Klimawandel nur eine flankierende, legitimierende Funktion für die Investitionen hat. Die Systemtheorie kent keine Verantwortung für das Ganze sondern nur die Größen Systemfunktional oder dysfunktional zu den jeweiligen systemeigenen binären Codes, in der Wirtschaft eben Gewinn/Verlust. Um ein System in einer komplexen Welt am Laufen zu halten, muss die Komplexität unbedingt reduziert werden. Das hat Konsequenzen. Das Eingrenzen, Reduzieren, Isolieren, kurz die Reduktion von Komplexität ist wesentlicher Teil des Problems, nicht deren Lösung.