Es gibt eine wirtschaftliche, eine staatliche und institutionelle und eine kulturelle Perspektive auf die Frage nach der Transformation einer Wachstums in eine Postwachstumsgesellschaft. Genauso teilen sich nicht nur die Arbeitsgebiete der Direktoren des Postwachstumskollegs in Jena, Klaus Dörre (Wirtschaft), Stefan Lessenich (staatlich-institutionell) und Hartmut Rosa (Kulturell) auf, sondern mehr oder minder auch wichtige Teile der Diskussionslage in der Literatur, soweit ich das bis jetzt wahrnehmen kann. Die unterschiedlichen Perspektiven ergänzen sich nicht nur, sondern ringen sichtlich um ihre Bedeutung für eine mögliche Transformation. Vor allem wird Hartmut Rosa vorgeworfen die Machtfrage außer Acht zu lassen und letztlich die in der Wachstumsfrage inhärenten Konflikte weichzuspülen.
Da die Frage auch bei den Diskussionen von Hartmut Rosa's Resonanztheorie in unserer Gemeinde eine wichtige Rolle gespielt haben, möchte ich es mir heute einfach machen und einfach einige Zitate aus einem Antwortaufsatz Rosa's auf eben diese Kritik weitergeben, die mich ganz überzeugt haben:
"Meine soziologische Analyse lautet: Die moderne kapitalistische Gesellschaft vermag ihre Strukturen nur im Modus dynamischer Stabilisierung, das heißt durch Kapitalakkumulation und Steigerung zu reproduzieren, und dies führt strukturell zu Desynchronisation, wie sie sich etwa in ökologischen Krisen zeigt, sozioökonomisch zu einer Verschärfung der Ausbeutungsverhältnissen und kulturell zum Resonanzverlust führt.... Meines Erachtens greifen Ansätze, welche das Problem einfach nur da draußen bei den Gewinnerinnen der Verhältnisse oder in einem abstrakten Wertgesetz verorten ... zu kurz. Es gibt einen wichtigen Antriebsmotor, der dabei außer acht gelassen wird. ""Das Kapital kann nicht aus sich selbst Wachstum, Beschleunigung und Innovationsverdichtung realisieren, es bedarf dazu des korrespondierenden Begehrens und Verlangens der Subjekte." Die Veränderung muss sich also auf beides richten, auf die "Überwindung der institutionellen Strukturen kapitalistischer Ordnung und ebensosehr auf eine Veränderung der kulturellen Dispositionen" .Wer nur auf die institutionellen Machtstrukturen schaut nimmt sich selbst zu sehr aus dem Spiel und die Lebenswirklichkeit der Menschen nicht ernst, er will nicht hören, er weiß wie es funktioniert ganz abgesehen von menschlicher Lebenswirklichkeit. "Die Subjekte werden nicht ernst genommen, ... sondern theoretisch total verdinglicht." So eine"Position nimmt den Subjekten jede Hoffnung und jeden Ansatzpunkt zur Veränderung, weil sie jede praktische Selbstwirksamkeitserfahrung negiert."
Tatsächlich stehen diese Positionen in der Literatur immer wieder kritisch gegeneinander, obwohl sie eigentlich nur verschiedene einander ergänzende Blickwinkel beschreiben sollten. Aber einmal fahren sich Autoren völlig fest in ihrer Fixierung auf Machtfragen, sehen nur noch strukturell auf das Problem und andererseits harmonisieren Autoren die Probleme mit der Fixierung auf Möglichkeiten Gegengesellschaften schon jetzt auszuprobieren, Ideen eines anderen Lebens zu versuchen und so ein allmähliches Umdenken zu ermöglichen.
Eigentlich ist das Problem schon gelöst in dem beide Sichtweisen als notwendig nebeneinander bestehende und sich ergänzende Blickwinkel gesehen werden, trotzdem prallen beide immer wieder in der Literatur als sich gegenseitig ausschließend aufeinander. Mir spricht Rosa's, wie ich finde, differenzierter Ansatz aus dem Herzen.