Neue Märkte Die Gleichsetzung "Mehr Reichtum = mehr Freiheit" gehört zu den tiefsten ideologischen Voraussetzungen unserer Art zu leben (seit J. Locke so Mc. Pherson). Ganz offensichtlich führt diese ideologische Gleichsetzung zu einer Veräußerlichung, Verdinglichung immer größerer Bereiche unserer Lebenswelt.
Ähnlich wie Hannah Arendt sprach auch der Soziologe Georg Simmel von der Verkümmerung des Individuellen durch das übermäßige Wachstum der objektiven Kultur, dem unnatürlichen Wachstum der Dingwelt, des Haben's und Besitzen's. Der Wachstumszwang führt die Unternehmen zu einer rastlosen Suche nach immer neuen Märkten. So weitet sich der Bereich ständig aus, in dem das Geld der Generalnenner für alles Käufliche wird. Unsere Geschichte verwandelt sich in die Historie der Eroberung neuer Märkte: Ob durch geographische Öffnung oder durch Eroberung bisher noch nicht ökonomisierter Lebensbereiche. Ob in Shenzhen 1990 symbolisch der erste Mc Donalds in China eröffnet wurde und auch dort mit ihren Einkaufscentern die Innenstädte jeder kulturellen Besonderheit beraubte, oder ob die Welt der Kinder zunehmend kommerzialisiert und durch Spielgeräte vereinheitlicht werden. Beide gewaltigen Veränderungen erfolgen der gleichen Systemlogik. Und die Investoren warten auf weitere Eroberungszüge: Der hohe Aktienwert von Facebook entsprach niemals dem realen Gegenwert der Firma, sondern begründete sich aus dem Versprechen mit den persönlichen Daten der Nutzer ganz neue Märkte zu erschließen und in neue weitere Lebensbereiche vordringen zu können. Vergleichsdruck Wir sind in den 70 er Jahren als Kinder nach 'draußen' gegangen und hatten nichts dabei als uns selbst: Was wichtig war, was wir gemeinsam miteinander anfingen, musste jeweils neu, frei gemeinsam ausgehandelt werden. Fußball, Brennball, Räuber und Gendarm,usw. Beim Spiel auf der Straße war nicht sichtbar wer mehr Geld zur Verfügung hatte und wer nicht. Jeder und jede konnte sich beweisen, ohne eine käufliche Voraussetzungen für das gemeinsame Spiel mitbringen zu müssen. Heute bin ich kein Kind mehr und kann nur von außen wahrnehmen, vermuten, dass Kinder sich aufgrund ihrer großen Bedeutung als Konsumentengruppe immer häufiger als Eigentümer von Dingen begegnen (Handy, tragbare Lautsprecher, kleine Spielkonsolen, Tabletts, usw.) Je mehr sich die Vergleichbarkeit des Käuflichen ausweitet, desto mehr gerät der Einzelne unter Druck, in immer größeren Lebensbereichen seine Individualität auch über das Haben definieren zu müssen. Ein hoffnungsloser Versuch, mit dem ich mich ab Montag mit Hartmut Rosa's genialer Theorie vom punktförmigen Selbst beschäftigen will, ehe ich dann auch hoffe in der nächsten oder übernächsten Woche zu ersten Alternativüberlegungen einer Postwachstumsgesellschaft vordringen zu können.